the Story Behind…

The person

Hi, mein Name ist Gavin Hope, ich bin 1992 in Bedford (UK) geboren und 1996 mit meiner Familie nach Deutschland gezogen. Im Ruhrgebiet haben wir eine neue Heimat gefunden – einer Region, die von industriellem Erbe, sozialem Wandel und kultureller Vielfalt geprägt ist. Diese Umgebung hat mein ästhetisches Empfinden ebenso beeinflusst wie mein Verständnis von Herkunft, Identität und Erinnerung.

Gestalterisches Arbeiten war für mich immer ein natürlicher Zugang zur Welt. In der Architektur fand ich zunächst ein berufliches Zuhause doch mit der Zeit wuchs in mir der Wunsch nach etwas Eigenem, nach etwas unmittelbar Erfahrbarem, das ich mit meinen Händen formen konnte.

2022 lernte ich an der VHS Essen das Goldschmieden kennen – ein Handwerk, das mich sofort mit seiner Direktheit und Sinnlichkeit faszinierte.

Ungefähr zur selben Zeit machte ich bei Spaziergängen in Bochumer Parks eine beiläufige Entdeckung, die sich als wegweisend herausstellte. Immer wieder fielen mir auf den Schotterwegen kleine, rostige Fragmente aus Metall auf. Angezogen von ihren Formen und ihrer Geschichte, sammelte und bewahrte ich sie auf – ohne klares Ziel, aber mit wachsender Neugier.

Erst durch das Goldschmieden begannen sich die Fäden miteinander zu verbinden. Die Fragmente fanden ihren Weg in meine Entwürfe. Aus ersten Experimenten entstand eine Idee. Aus dieser Idee entwickelte sich etwas Eigenständiges – mein Schmucklabel Renascoria, das ich 2025 gründete.

The Name

Der Name Renascoria ist ein Kunstwort – zusammengesetzt aus dem lateinischen renascor („wiedergeboren“) und scoria (Schlacke), also den Rückständen industrieller Prozesse. Für mich bringt dieser Name auf den Punkt, worum es in meiner Arbeit geht: Aus etwas Weggeworfenem, Übersehenem wird etwas Neues, Wertvolles.

Die Idee zur Marke entwickelte sich über Jahre hinweg und war gekennzeichnet von unzähligen Fehlversuchen und Erfolgserlebnissen. Mein erstes Erfolgserlebnis waren zwei Anhänger – Geschenke für gute Freunde von mir. Die Anhänger waren roh und unperfekt, aber voller Bedeutung. Das streben nach dem Gefühl der Euphorie wenn ein Schmuckstück gelingt prägt meine Arbeit bis heute und ist der Grund für die Existenz von Renascoria. Daher ist es kein Wunder dass genau diese zwei Anhänger als Inspiration für das Logo meiner Marke dienten.

Für mich ist Renascoria nicht nur ein Konzept, sondern etwas sehr Persönliches. Der Name steht für eine Kultur des Erinnerns, für eine Geste des Schenkens und für eine Chance des Neueindeckens. 

The Fragments

Wer im Ruhrgebiet spazieren geht – aufmerksam, vielleicht mit einem wachen Blick für das Unscheinbare – kann sie entdecken: winzige metallische Teilchen, die auf Schotter- oder Radwegen im Staub liegen. Mal sind sie rund und glatt wie Tropfen, mal kantig, länglich oder unförmig. Manche kaum größer als ein Stecknadelkopf, andere so groß wie eine Walnuss. Es sind Reste einer anderen Zeit.

Diese Fragmente stammen aus der Hochphase der Industrialisierung – einer Epoche, in der Stahl und Kohle das Rückgrat des wirtschaftlichen Aufschwungs bildeten. Beim Schmelzprozess im Stahlwerk wurde flüssige Schlacke von der Metallmasse getrennt und in Gruben gegossen, wo sie erstarrte. Teile dieser Schlacke wurden später zerkleinert und als Baumaterial für Wege und Böden verwendet – oft direkt im Umfeld der Industrieanlagen, die heute längst stillgelegt oder verschwunden sind. Die metallischen Einschlüsse, die ich heute sammle, sind Überreste genau dieser Prozesse.

Eine Untersuchung des Deutschen Bergbau-Museums zeigte: Es handelt sich bei den Fragmenten um verschiedene Legierungen von Edelstahl – vermutlich abgeschiedene Metallreste, die sich während der Schlackenentsorgung abgelagert und mit dem Material vermischt haben. Ihre Formen verdanken sie physikalischen Zufällen: Fliehkraft, Hitze, Erstarrung. Tropfen, Spritzer, Bruchstücke – erstarrte Momente eines Materials im Übergang.

Ich bin ihnen zuerst in meiner Nachbarschaft begegnet – beim ziellosen Umhergehen. Sie lagen dort, wo heute Parks sind, eingebettet in zementartige Böden, zwischen gläsernen Schlackenstücken. Wertlos, übersehen – aber eigenartig schön. Mich haben sie sofort fasziniert – nicht nur wegen ihrer Form, sondern wegen ihrer Geschichte.

Heute sind diese Fragmente der Ausgangspunkt meiner Arbeit. Als Überbleibsel einer untergegangenen Industriegesellschaft bergen sie Spuren von Vergangenheit – und Potenzial für etwas Neues.

The Craft

Der Ursprung jedes Schmuckstücks liegt im Stadtraum. Vor allem in Bochumer Parks – manchmal aber auch an unerwarteten Orten – finde ich die kleinen Stahlfragmente, nach denen ich gezielt suche. Sie liegen oberflächlich im Boden, zwischen Zementresten, glasartiger Schlacke und Schotter. Wenn ich eines entdecke, hebe ich es mit einem spitzen Werkzeug vorsichtig aus dem Boden. Ein gefülltes Marmeladenglas ist meist das Zeichen dafür, dass es Zeit ist, nach Hause zu gehen.

Dort beginne ich mit der Reinigung: Zunächst mit Wasser und Seife, dann unter dem Dremel, der hartnäckige Rückstände entfernt und oft verborgene Strukturen sichtbar macht. Ich sortiere die Fragmente nach Form und Größe, denn nicht jedes eignet sich für die Weiterverarbeitung. Einige sind zu komplex oder zu filigran, andere hingegen ideal für den nächsten Schritt: den Guss.

Das Herzstück meines Prozesses ist das Sandgussverfahren mit Delft Clay. Dafür presse ich das gewählte Fragment in die Gussform, manchmal ergänzt durch einen passenden Edelstein – meist ein Saphir. Danach wird recyceltes Silber geschmolzen und in die Form gegossen. So entsteht ein Abbild des Fundstücks, das seine rohe Struktur bewahrt, aber in einem neuen Material erscheint.

Nach dem Guss wird das Schmuckstück weiterverarbeitet und verfeinert bis es bereit ist, getragen zu werden – als tragbares Zeugnis regionaler Geschichte, Vielfalt und Transformation.